Wasserturbine

Wasserturbine
Wạs|ser|tur|bi|ne 〈f. 19mit Wasser angetriebene Turbine

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Wạs|ser|tur|bi|ne, die (Technik):
die potenzielle u. die kinetische Energie des Wassers ausnutzende Turbine, die zum Antrieb von Generatoren dient.

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Wasserturbine,
 
eine nach dem Prinzip der Strömungsmaschinen arbeitende Wasserkraftmaschine, in der die potenzielle Energie von Wasser, d. h. die Fallhöhe zwischen dem Wasserniveau eines Sees oder Flusslaufs und dem Aufstellungsort der Wasserturbinen, genutzt und durch Dralländerung in mechanische Energie zum Antrieb von Arbeitsmaschinen gewandelt wird. Die eigentliche Energiewandlung erfolgt in den Schaufeln 3) eines Laufrades, wobei die zeitliche Dralländerung gleich dem am Laufrad erzeugten Moment ist. Für die erzielbare Leistung gilt: P = ηρ g QH (η Wirkungsgrad der Wasserturbine und gegebenenfalls erforderlicher Getriebe, ρ ≈ 1 000 kg/m3 Dichte von Wasser, g ≈ 9,81 m/s2 Fallbeschleunigung, Q Wasserstrom in m3/s, H nutzbare Fallhöhe in m). Hauptanwendung ist der Antrieb von Generatoren zur Stromerzeugung (Wasserkraftwerk).
 
 
Man unterscheidet Gleichdruck- und Überdruckturbinen. Bei Gleichdruckturbinen (Aktionsturbinen) wird die potenzielle Energie in einer oder mehreren Düsen vollständig in Geschwindigkeitsenergie umgewandelt. Am Laufrad ändert sich der Druck nicht. Typisch ist partielle Beaufschlagung. Bei Überdruckturbinen (Reaktionsturbinen) herrscht vor dem Laufrad Überdruck. Es sind spezielle Leiteinrichtungen erforderlich. Der Überdruck wird in der Leiteinrichtung und im Laufrad in Geschwindigkeitsenergie umgesetzt. Vorherrschend sind einstufige und einflutige Ausführungen, weil große Radabmessungen (bis 11 m Durchmesser) für sehr große Wasserströme möglich sind und je nach Bauart einstufig Fallhöhen bis 2 000 m verarbeitet werden können. Wegen geringerer Umfangsgeschwindigkeiten und Temperaturen bestehen weniger Festigkeitsprobleme als bei thermischen Turbomaschinen, dafür aber Gefährdungen durch Kavitation.
 
Bauarten:
 
Pelton-Turbinen (Freistrahlturbinen) sind teilbeaufschlagte tangentiale Gleichdruckturbinen für Fallhöhen bis 2 000 m und Leistungen bis 300 MW. Die Umsetzung in Geschwindigkeitsenergie erfolgt in ein bis sechs Düsen. Das Laufrad trägt am Umfang becherförmige Schaufeln (daher auch Becherturbine genannt), in denen der Wasserstrahl fast vollständig umgelenkt wird. Die Wassermenge wird zur Leistungsanpassung über eine axial verschiebbare Nadel in der Düse eingestellt, wobei die Nadel ölhydraulisch oder elektrisch verstellt wird. Bei rascher Lastminderung oder vollständiger Entlastung (Lastabwurf des Generators) werden Strahlablenker in die Wasserstrahlen eingeschwenkt, die einen Teilstrahl vom Rad ablenken und rasche Leistungsminderung bewirken. Die Bánki-Turbine (Durchströmturbine) ist eine Gleichdruckturbine mit einem walzenförmigen Laufrad mit zylindrischen Schaufeln. Das Wasser strömt ins Laufrad von außen nach innen, wird dabei umgelenkt und beaufschlagt das Laufrad nochmals von innen nach außen. Das Gehäuse wird oft mit einem Saugrohr versehen, das die Aufstellung der Turbine über dem Unterwasser auch bei kleinen Fallhöhen gestattet. Durchströmturbinen haben ein günstiges Teillastverhalten, werden aber nur für kleinere Leistungen bis 800 kW verwendet.
 
Die wesentlichen Bauarten von Überdruckturbinen sind die Francis- und die Kaplan-Turbine. Die Francis-Turbine weist radiale bis halbaxiale Zuströmung aus einer Einlaufspirale und axiale Abströmung auf. Sie eignet sich für Fallhöhen bis über 500 m. Die Regelung erfolgt über verdrehbar im Einlauf angeordnete Leitschaufeln. Damit wird der Vordrall so geändert, dass die Laufraddrehzahl unabhängig von der Leistungsaufnahme des Generators konstant bleibt. Francis-T. gibt es auch als Kleinturbinen ohne Einlaufspirale. Die Kaplan-Turbine besitzt axiale Zu- und Abströmung des Laufrads und radial angeordnete, verstellbare Leitschaufeln. Sie eignet sich für kleinere Fallhöhen (bis maximal 80 m) und große Wasserströme. Die propellerartigen Laufschaufeln sind (meist ölhydraulisch) verstellbar (bei festen Schaufeln spricht man von Propellerturbinen). Sie haben keine Abdeckung zum Gehäuse wie etwa ein Deckband. Durch die Verstellbarkeit von Leit- und Laufschaufeln ergeben sich eine günstige Regelcharakteristik und günstiges Teillastverhalten. Die optimale Zuordnung der Stellungen von Leit- und Laufschaufeln wird mithilfe von Prozessrechnern eingestellt (optimaler Wirkungsgrad bei konstanter Drehzahl unabhängig von der Last). Die Rohrturbine ist eine Kaplan-Turbine für Fluss- oder Gezeitenkraftwerke mit horizontaler oder leicht geneigter Achse und Zu- und Abströmung in Achsrichtung. Die Dériaz-Turbine ist eine halbaxial durchströmte Turbine, ähnlich der Kaplan-Turbine, ebenfalls mit verstellbaren Laufschaufeln. Sie eignet sich auch als Pumpturbine, d. h. für Pump- und Turbinenbetrieb in Pumpspeicherkraftwerken. Überdruckturbinen werden mit einem Saugrohr ausgeführt, das den Austrittsverlust herabsetzt. Die Lage des Laufrads zum Unterwasser ergibt sich aus der Forderung nach einem kavitationsfreien oder -armen Betrieb; die Kavitationsbildung hängt von der spezifischen Drehzahl der Turbine und von der Fallhöhe ab. An großen Überdruckturbinen wurden Wirkungsgrade bis zu 96 % gemessen, und sie können Einzelleistungen bis 1 000 MW erreichen.
 
Geschichtliches:
 
Die ältesten Wasserkraftmaschinen waren Stoßwasserräder (Wasserräder mit vertikaler Welle und Schussgerinne). Turbinen mit Leitrad und Laufrad erscheinen in den Handschriften von Leonardo da Vinci. Das Prinzip der Überdruckturbine findet sich im Wasserrad von J. A. Segner (1750). Den Entwurf einer gut durchgebildeten Reaktionswasserturbine mit Leitapparat lieferte L. Euler 1754. Praktische Bedeutung erlangte die Überdruckturbine (1827) des französischen Zivilingenieurs Benoît Fourneyron (* 1802, ✝ 1867), eine zentrifugale Turbine, die regelbar konstruiert ist. Er betrieb Modellversuche im heutigen Sinn. 1837 entwickelte Karl Anton Henschel (* 1780, ✝ 1861) eine axiale Überdruckwasserturbine mit Saugrohr; sie wurde seit 1841 durch N. J. Jonval als Henschel-Jonval-Turbine bekannt. 1838 erhielt Samuel B. Howd in New York ein Patent auf eine zentripetale Turbine, einen Vorläufer der 1849 von dem Amerikaner J. B. Francis erfundenen Turbine. 1912-18 erfand der österreichische Ingenieur V. Kaplan in Brünn eine axiale Turbine mit weit auseinander gestellten Schaufeln, die später mit beweglichen Laufradschaufeln ausgeführt wurde. Sie ist heute mit der Francis-Turbine die wichtigste Wasserturbinenbauart. 1878 erfand Carl Ludwig Fink (* 1821, ✝ 1888) das Leitrad mit beweglichen Leitradschaufeln. Die Freistrahlturbine wurde 1841 von dem Schweizer W. Zuppinger als teilbeaufschlagte zentripetale Gleichdruckturbine konstruiert. 1848 baute F. W. Schwamkrug die teilbeaufschlagte zentrifugale Schwamkrug-Turbine; 1856 konstruierte L. Dominique Girard (* 1815, ✝ 1871) seine axiale Gleichdruckturbine mit stark erweiterten Laufradkanälen. 1880 erfand der amerikanische Ingenieur L. A. Pelton in San Francisco (Calif.) die tangentiale Turbine mit becherförmigen Schaufeln mit einer Mittelschneide, aus der sich im Laufe der Jahre die Turbine mit der heute üblichen Becherform entwickelte. Die Durchströmturbine schufen A. G. M Mitchell 1903 und D. Bánki 1918.
 
 
L. Quantz u. K. Meerwarth: Wasserkraftmaschinen (111963, Nachdr. 1974);
 Jürg H. Meyer: Kraft aus Wasser. Vom Wasserrad zur Pumpturbine (Bern 1975);
 F. Dietzel: Turbinen, Pumpen u. Verdichter (1980);
 R. Raabe: Hydro power. The design, use, and function of hydromechanical, hydraulic, and electrical equipment (Düsseldorf 1985);
 C. Pfleiderer u. H. Petermann: Strömungsmaschinen (61991);
 W. Bohl: Strömungsmaschinen, 2 Bde. (5-71995-98).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Wasserkraftwerk: Energiegewinnung aus Wasserkraft
 

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Wạs|ser|tur|bi|ne, die (Technik): die potenzielle u. die kinetische Energie des Wassers ausnutzende Turbine, die zum Antrieb von Generatoren dient.

Universal-Lexikon. 2012.

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